… hätte WordPress nicht dieses hübsche „7 Entwürfe!“-Dings, könnte ich schon gar nicht mehr zählen, wie viele Texte wir angefangen und verworfen haben.
Eigentlich lassen sich all diese Texte auch ganz gut in einem Wort zusammenfassen.
Nämlich ARGH.
Oder: VERFICKTE SCHEISSE, aber das sind zwei Wörter, und wir sind ja so diplomatisch und lieb und nett und ommm.
Beim Jahresendgespräch im Dezember hatte man sich ja darauf geeinigt, dass der Betrieb dringend offene Kommunikation braucht. Ja, machen wir, danke für die Rückmeldung, alles fein, und natürlich können wir dich im Büro einsetzen, da gibt es auch ganz viel zu tun, du musst einfach proaktiv fragen.
Im neuen Jahr angekommen, am … 7.? nachgefragt. „Diese Woche steht noch dieses und jenes an, aber nächste Woche kann ich dich einplanen.“ Am Montag darauf immer noch nichts. Nachgefragt. Daraufhin wurden wir für gestern und diesen Freitag eingeplant.
Sonntagabend kam dann: hi, du musst morgen doch nicht kommen.
Ich: super, danke fürs Bescheid geben. Kann ich dann wann anders da sein, um auf meine Stunden zu kommen?
… äh, also, der Soundso braucht gerade Stunden und ist deswegen im Büro, und überhaupt, und man ist ja wieder in Kurzarbeit, und da haben die Festangestellten Vorrang…
Hätte ich nicht nachgefragt… hätte ich nicht mal erfahren, dass wir wieder in Kurzarbeit sind und es so knapp ist, dass Soundso, der angeblich jahrelang „zu doof“ fürs Büro war, genau da jetzt eingesetzt wird.
Offene Kommunikation my ass.
Ich: okay, das wusste ich nicht mit der Kurzarbeit (woher auch). Wenn es weiter so eng aussieht, könnt ihr mir dann vielleicht ein Zwischenzeugnis ausstellen, falls ich Bewerbungen schreiben muss?
– „äh hm also, dass es so schlecht aussieht, hat mit dem Dezember gar nichts zu tun, und dein Zwischenzeugnis kannst du selbst schreiben, ich schau dann drüber.“
(…)
Heute ist mir aufgefallen, dass man ja noch nicht über die Schicht am Freitag geredet hatte. Im Kalender ist für Freitag nichts mehr, dafür aber acht Stunden Baumfällung am Donnerstag.
Kurzes innerliches „wollen die mich verarschen“, weil… man hatte ja explizit nach Büroarbeit gefragt, weil bei nasskaltem Wetter die Gelenke zicken, und hatte auch gesagt, dass Dienstag bis Donnerstag Vorlesungen sind. Also – äh.
Sehr diplomatisch und freundlich gefragt, was zum Fick das soll ob der Freitag auch nicht steht, und was das mit dem Donnerstag da soll, und wenn man am Freitag nicht im Büro ist, gibt‘s vielleicht Alternativen, weil… ähm.
… „oh, das mit dem Donnerstag war ein Versehen, dass du da noch eingetragen bist, das hatte Chefin vergessen.“ – okay, hatte ich mir schon gedacht, passiert.
“… und eventuell habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt, eigentlich haben wir momentan keine Stunden für dich. Kollege 1 und 2 arbeiten schon weniger, Soundso ist im Büro, und du bist nicht festangestellt. Du kannst dir aber gerne ein gutes Zeugnis schreiben.“
Ach so.
Ja dann.
Aber im Dezember noch eine Zusage wollen, dass ich nicht kündige..?
(…)
Oh, ja, danke, dann weiß ich Bescheid, liebe Grüße.
Das macht mich teilweise so wütend, im Vergleich dazu kann ich mit einer Freundin stundenlang über antisemitische Parolen und BDS-Scheiße reden, und ich bin tie-fen-ent-spannt. (Über sie ist die Faszination mit K.I.Z. übrigens auch wieder aufgewacht. Es tut mir sehr leid.)
Ich nehme die Wut und löse sie in Luft auf. Weiter lächeln. Weiter ungläubig gefragt werden, wie man so verdammt diplomatisch und freundlich bleiben kann.
Manchmal verfasse ich Anschreiben und möchte schreiben „ich bin 1 sehr guter Mitarbeiter, weil Leute können mir die größte Drecksscheiße erzählen, und ich werde lächeln und sie höflich darum bitten, ein bisschen zu differenzieren und zu schauen, wie sie emotional zu dem Thema stehen. Vermitteln und zwischen die Fronten geraten kann ich auch super. Sie müssen keinen psychologischen Dienst für sich selbst oder ihr Team einstellen, das mach einfach ich. Oh, und wenn mir ein Thema am Herzen liegt, reiß ich mir den Arsch auf und tue alles Mögliche, was nicht in der Jobbeschreibung steht, haha, ich freue mich auf Ihre Rückmeldung“.
Am Donnerstag wollte sich der Mensch vom ersten Jobinterview melden. Am Montag kann man sich bei einem Laden vorstellen, der jemanden für social media sucht. Die Dame dort hatte geantwortet, dass man gerne vorbei kommen könne, aber sie haben so viele Studis, die sich bewerben, und wenn sie sich unseren Studiengang und die aktuelle Arbeit anguckt… ob man denn nicht Bock hätte, bei ihr erst einmal im privaten Garten zu arbeiten? So Bäume schneiden und so?
Ich übersetze: ob man bei ihr schwarz arbeiten will. Ohne wirkliche Ausbildung, Fachkenntnisse, und von Werkzeug ganz zu schweigen. Und jetzt geht es nicht mal darum, dass alleine Bäume schneiden je nach Baum ein fucking Arbeitsrisiko ist, man je nach Baum eine Heckenschere oder Kettensäge braucht, und dass man für Kettensägen einen Führerschein benötigt. Was wir alles nicht haben. Also – äh?!
(Hab das Angebot dankend abgelehnt und geschrieben, dass man Menschen mit dem nötigen Fachwissen kennt und da nachfragen könnte, und sie ansonsten gerne an den jetzigen Betrieb verweisen würde.)
Der Herzmensch und wir sind beide gestresst, gereizt, rasseln immer wieder aneinander. Ich habe Angst vor mir, weil wir normalerweise unglaublich geduldig und diplomatisch und lieb sind, und es immer wieder Momente gibt, in denen das… sehr schwierig ist. Es macht mir Angst. Manchmal möchte ich ihn (oder das Handy) metaphorisch aus dem Fenster werfen, manchmal heule ich fast auf Miss Zitrones Couch. Es geht ihm nicht gut, und die Gesamtsituation ist … joah, da ist halt so ne Pandemie, ne?
Normalerweise schaffen wir es ganz gut, für einander da zu sein, aber ich glaube, gerade fühlen wir uns beide nicht genug gesehen, und ich möchte schreien. Weil ich eigentlich ganz ganz ganz viel Nähe und Unterstützung brauche. Er auch. Beziehungsweise braucht er eigentlich mehr als ich gerade. Wären wir beide Pflanzen, würden wir versuchen, uns gegenseitig zu gießen, während wir selbst austrocknen. Oder so. Nur dass er in einer Dürresituation ist, und ich eben nicht, und ich sollte fucking Prioritäten setzen, und dann mache ich mich dafür fertig, nicht genug für ihn da zu sein, und wir motzen uns gegenseitig an und wieder von vorn.
Am liebsten würde ich uns beide packen und ne Woche weg fahren. Nur wir zwei. (Und der Hund.) Nichts, was von außen rein kracht, keine Existenzängste, weil beide Jobs auf der Kippe stehen beziehungsweise in meinem Fall schon längst von der Kippe gehopst sind.
Verfickt nochmal Ruhe.
Oh, und in fast exakt vier Wochen steht die erste Klausur an. Wir haben uns einen Lernplan erstellt, der theoretisch sehr machbar und okay ist. Mit enthalten ist das Lernen für die anderen beiden Klausuren im März, aber theoretisch kann man das Lernen dafür auch auf „nach Chemie“ verschieben. Man hangelt sich also mit Puffern und allem durch. (Höhö. Puffer. Pufferlösungen…)
Auch mit „nur“ drei Klausuren ist zumindest die Chemie-Prüfung die, die eigentlich unsere gesamte Aufmerksamkeit braucht, aber ich weiß nicht, wie ich das machen soll. Wäre da „nur“ die Uni, würde das alles wunderbar hinhauen, aber… um uns herum explodiert alles.
Ich versuche mich darauf zu verlassen, dass unsere „wenn du das alles machst, bist du gut“-Ansprüche wieder mal zu hoch gesteckt sind und es reicht, wenn wir nur… 60 Prozent unseres Lernplans schaffen. Oder… einfach nur bestehen, wenn gar nichts mehr geht.
Die Systemarbeit und das „oh, da war ja noch Trauma, upsi“ beschränken sich auf Yoga und Schadensbegrenzung. Ich weiß, dass das nicht gut ist und wir gerade angefangen haben, so richtig „gute“ Ansätze zu finden, mit denen man arbeiten kann. Aber wir haben keine Kapazitäten dafür. Von daher gibt es Yoga für den Körper, in der Hoffnung, dass es auch weiter hinten ankommt.
In meinem Kopf kreisen worst case-Szenarien und Angstspiralen: „Was, wenn wir keinen Job finden und das Studium nicht finanzieren können. Was, wenn wir noch ein Studium abbrechen müssen. Was, wenn wir nicht genug für den Herzmenschen da sind. Was, wenn…“, und etwa siebzig Prozent davon sind „ich bin nicht genug“-Traumadenken. Traumadenken macht unentspannt. Unentspannt sein erschwert Jobsuche und Beziehungskrams und Lernen. Was wiederum die Angstspiralen füttert.
Am liebsten würden wir uns ausschließlich auf Beziehung und Studium konzentrieren, aber von Luft und Liebe und bruchstückhaftem Ersti-Fachwissen kann man halt auch nix bezahlen.
Also schreiben wir Bewerbungen und versuchen, nicht die ganze Zeit innerlich zu schreien, weil gerade einfach alles… doof ist. Zwischendurch bin ich selbst fürs Wütendsein zu müde und bin einfach nur… genervt.
Und müde.
„Ich wäre eher besorgt, wenn es euch gut gehen würde“, hatte Ivy vor ein paar Wochen (und gestern wieder) gesagt.
Die Gesamtsituation ist nicht gut. Es ist valide, dass es uns nicht gut geht. Es ist valide, dass wir an unsere Grenzen stoßen, aber ich mag nicht. Ich will nicht so sein.
Und ja, vielleicht sitze ich hier in ein paar Tagen und erzähle begeistert von einer Jobzusage und geplatzten Knoten in Chemie, womit sich so achtzig Prozent unserer Probleme in Luft aufgelöst hätten. Aber gerade sind wir einfach sehr… schmerzig, und alles ist blöd.
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wir machen eure kids kaputt wie heidi klum
mit frauenfeindlichem, antisemitischen dreck
leute denken, wir hätten was aus der bibel gerappt
rap über hass, das ist mein gebiet
ich rappe über hass in fast jedem lied
rap, rap über hass, das ist mein gebiet
gewalt ist keine lösung
und das soll sie auch nicht sein
– K.I.Z. – rap über hass